NEMo (Nachhaltige Erfüllung von Mobilitätsbedarfen im ländlichen Raum)
Jahr: 2019
Ziele/Ideen
Das Bewusstsein für die Mobilitätsprobleme in ländlichen Räumen ist bisher vergleichsweise wenig in den Fokus wissenschaftlicher Forschungsprojekte gerückt. Trotz einer großen Anzahl von Publikationen zu dem Thema Mobilität werden ländliche Regionen häufig ausgeschlossen und können nicht von den Forschungsergebnissen profitieren, da diese vorwiegend den urbanen Raum und angrenzende Gebiete adressieren. Dies führt zu einer zunehmenden Schwächung der ländlichen Räume und verstetigt die problematische Situation. Durch die Mobilitätsinitiativen des Bundes ist die Sensibilität gegenüber dem Thema wieder gestiegen. Dies bietet die optimale Chance, den ländlichen Raum und seine besonderen Bedingungen in den Fokus des Forschungskontextes zu stellen. Trotz des Wissens über die Probleme sowie der fortgeschrittenen Sensibilisierung einer breiten Öffentlichkeit über die letzten Jahre, wurden Maßnahmen zur Veränderung des Status Quo bislang nur unzureichend umgesetzt und die Lösung der mit dieser Frage verbundenen ländlichen Probleme aufgeschoben.
Insbesondere in Randzeiten, aber auch bei Stadt-Land-Pendlerbeziehungen, fehlen oftmals geeignete Lösungen, um den Arbeitsplatz, die Ausbildungsstätte, das Gesundheitszentrum oder Freizeitmöglichkeiten zu erreichen. Vor dem Hintergrund des unzureichenden Nahverkehrs und sich entleerenden Räumen ergibt sich ein hoher Anteil an Pkw-Besitz und wachsendes Verkehrsaufkommen im ländlichen Raum. Wie im Projekt u. a. im Rahmen von Befragungen wissenschaftlich ermittelt werden konnte, wählen Auszubildende oftmals einen Beruf bzw. einen Ausbildungsbetrieb allein aufgrund der räumlichen Erreichbarkeit aus. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber verzeichnen ein zunehmendes Verkehrsaufkommen und ein immer knapper werdendes Angebot an Parkplätzen, was sich negativ auf die Attraktivität des Betriebes auswirkt. Um eine Reduktion des Autoverkehrs zu erreichen, schafft NEMo neue Mobilitätsangebote, in denen Bürgerinnen und Bürger selbst zu Mobilitätsanbietenden werden können.
Kurzbeschreibung
Das inter- und transdisziplinäre Forschungsprojekt NEMo (Nachhaltige Erfüllung von Mobilitätsbedürfnissen im ländlichen Raum) zielt auf die Entwicklung nachhaltiger und innovativer Mobilitätsdienstleistungen sowie darauf aufbauenden Geschäftsmodellen ab. Dabei schafft NEMo neue Mobilitätsangebote, in denen auch die Bürgerin und der Bürger zum Mobilitätsanbietenden wird. So könnten mithilfe entwickelter IKT-Technologien beispielsweise selten angefahrene Haltepunkte des Öffentlichen Personennahverkehrs zusätzlich auch von Privatpersonen mit dem eigenen Pkw zur Mitnahme weiterer Personen bedient werden. Durch eine höhere Personenauslastung des privaten Pkw können Versorgungslücken geschlossen und insgesamt das Verkehrsaufkommen und die damit verbundenen negativen Umweltauswirkungen reduziert werden. Für die Bereitstellung eines umfassenden und offenen Mobilitätsangebots werden wirtschaftliche, gesellschaftliche und organisatorische Konzepte entwickelt, erprobt und verstetigt.
Resultate
Im Rahmen sozialwissenschaftlicher Untersuchungen wurden Hemmnisse beim Mitfahren identifiziert. Das Auto nimmt immer noch einen wichtigen Platz in Haushalt und Familienleben ein. Viele Menschen betrachten den eigenen Pkw als Teil der Privatsphäre und können sich eine Mitnahme von Fremden nicht vorstellen. Weiterhin bestehen Sicherheitsbedenken und Unkenntnis über Haftungsfragen. Ein erhöhter Abstimmungsaufwand und Umwege für Fahrerinnen und Fahrer werden befürchtet. Die Nutzung von Mitfahrgelegenheiten ist meist auf ökonomische, ökologische oder soziale Beweggründe zurückzuführen: Geringere Kosten, Umweltentlastungen und neue Kontakte werden meist als Motivation angeführt. Es wurde ein Bewertungssystem und ein nachvollziehbares Preissystem implementiert.
Die Funktionen der multimodalen Reiseauskunft wurden fertiggestellt. Die Mitfahrgemeinschaft befindet sich in mehreren Landkreisen im Feldversuch, um die Übertragbarkeit der entwickelten Lösung zu verifizieren.
Die Erfassung der Möglichkeiten, Kapazitäten und Anforderungen der Community zur Erstellung neuer Organisationsformen dienen als Ausgangspunkt der durchzuführenden Maßnahmen, die durch verschiedene qualitative und quantitative Methoden erhoben wurden. Diese bilden die Basis für flexible, neuartige Geschäftsmodelle, in denen die Bürgerinnen und Bürger zu Prosumern werden und dadurch um echte Alternativen zum Autoverkehr und ÖPNV bereichert werden. Dabei sind neue Wege der Zusammenführung zur Selbstorganisation in soziale Strukturen erschlossen und in bestehende ländliche Räume eingeführt worden. Diese Zusammenführung wurde über selbstorganisatorische Kommunikationsforen (Community-Gedanke) realisiert, wobei die sozialen Strukturen (Vereine, Verbände, Unternehmen, etc.) Berücksichtigung fanden.
Die Wirkungsentfaltung ergibt sich aus der Konzeptionierung von Austauschbeziehungen im Rahmen privater Mobilitätsdienstleistungen innerhalb der Community. Dabei wird ein gesellschaftlicher Transformationsprozess durch die Förderung gruppendynamischer Prozesse vorangetrieben. Dieser Prozess wird befördert durch die praxisnahe Erprobung der App, die die Organisation neuartiger Mobilitätsdienstleistungen mit spezieller Rücksichtnahme auf die vorhandenen Mobilitätskapazitäten, Bedürfnisse und soziale Strukturen im ländlichen Raum unterstützt.
Des Weiteren ist eine Ausgründung geplant, welche die Ziele von NEMo über das Forschungsprojekt in der Praxis fortführen soll. Dafür sind bereits verschiedene Gespräche mit Unternehmen, Kommunen und Verbänden intensiviert worden.
Im Rahmen des Forschungsprojektes werden voraussichtlich acht Promovierende ihre Doktorarbeit erfolgreich abschließen (Fachrichtungen Informatik, Betriebswirtschaftslehre, Rechtswissenschaft, Sozialwissenschaften). Aus NEMo heraus wurde an der Hochschule Bremerhaven sogar eine Professur im Bereich „IKT in der Logistik“ neu besetzt (Prof. Benjamin Wagner vom Berg).
An dem Feldversuch mit der Fahrkreis-App haben sich bereits mehrere hundert Personen beteiligt.
Partner
merkWATT GmbH: Mitwirkung an Feldversuch
Oldenburgisch-Ostfriesischer Wasserverband OOWV: Stephan Bäcker
Stadt Oldenburg: Roland Hentschel
Universität Oldenburg, Abteilung für Wirtschaftsinformatik, Very Large Business Applications VLBA