Fahrradmodellquartier Bremen: die erste Fahrradzone Deutschlands
Jahr: 2020
Ziele/Ideen
Gerade innerstädtische Bestandsquartiere haben ein sehr großes Potenzial für aktive Modi in der Nahmobilität, die aufgrund der guten Infrastrukturdichte einen großen Anteil im Alltagsleben der Bewohner*innen hat. Gleichzeitig sind im Projektgebiet Alte Neustadt Bremen die historischen engen Straßenräume durch Kopfsteinpflaster wenig fahrradfreundlich zu befahren. Unklare Parkregelungen und illegales Parken behindern und gefährden Fuß- und Radverkehr – aber auch an Einmündungen Lieferverkehr, Müllabfuhr und ggf. auch die Feuerwehr. Die historische bzw. 50er Jahre-Nachkriegsbebauung hat zumeist keine Fahrradparkmöglichkeiten auf dem Grundstück, so dass die Fahrräder auf dem öffentlichen Straßenraum abgestellt werden müssen – hier fehlte es aber an quantitativ und qualitativ ausreichendem sicheren Abstellmöglichkeiten. Die Straßenräume waren sehr durch das Auto geprägt – hier galt es, den anderen Verkehrsmitteln als auch der Aufenthaltsfunktion wieder ausreichend Raum zu geben.
Wichtige Verkehrsstraßen mit eigenen Bus- und Straßenbahntrassen führen durch das Projektgebiet, bzw. grenzen es ein. Diese Trassen hatten eine hohe Trennwirkung sowohl für den Rad- wie für den Fußverkehr, die es in Einklang mit den Ansprüchen des ÖPNV zu überwinden galt.
Das Fahrradmodellquartier zeigt, wie durch viele – in sich oftmals unspektakuläre – Maßnahmen ein hohes Maß an Synergien erzeugt werden kann, um den Radverkehr attraktiver zu machen, aber auch den Fußverkehr zu stärken, Verkehrssicherheit zu erhöhen und die Straßenräume aufzuwerten. Nahmobilität wird dadurch klimafreundlicher, die Abhängigkeit vom (flächenverbrauchenden) PKW geringer.
Das Projektgebiet weist eine hohe, historisch gewachsene Mischung von Wohnen, Arbeiten (incl. Industrie), Hochschule und Freizeiteinrichtungen auf. Alle diese Funktionen würden ohne einen hohen Anteil des Umweltverbundes nicht funktionieren können. Die Hochschule Bremen mit rund 9.000 Studierenden hat den Anspruch, mit einem ‚Klima-Campus‘ nicht nur zur eigenen Klimaneutralität beizutragen, sondern auch in den Stadtteil hineinzuwirken.
Eine Zonenbeschilderung für den Vorrang des Radverkehrs hatte es in Deutschland bislang nicht gegeben. Der Projektanspruch „von der Fahrradstraße zur Fahrradzone“ ist nicht nur inhaltlich im Quartier mit vielen Synergien, sondern auch formal mit der Änderung der Straßenverkehrsordnung zum Nutzen aller Städte umgesetzt worden. Das Fahrradmodellquartier in der Alten Neustadt hatte hierzu den Anstoß gegeben, der mit der fahrradfreundlichen Novellierung der deutschen StVO zum 28. April 2020 in eine neue Rechtspraxis umgesetzt wurde.
Kurzbeschreibung
Bremen hat unter den deutschen Großstädten über 500.000 Einwohnerinnen und Einwohner mit 25 Prozent den höchsten Radverkehrsanteil, die niedrigste NO2-Belastung und auch geringe Stauzeiten. Und Bremen möchte die Bedingungen zum Radfahren weiter verbessern. Im Fahrradmodellquartier gibt es die erste „Fahrradzone“ Deutschlands: in einem ganzen Wohnviertel hat das Fahrrad Vorrang. Ergänzend wurden Fahrbahnbeläge radverkehrsfreundlich gestaltet, rund 600 zusätzliche Fahrradparkmöglichkeiten angelegt sowie Lastenradverleih, E-Bike-Ladestationen sowie ein Fahrrad-Repair-Café errichtet. Straßenräume wurden aufgewertet, Carsharing-Stationen ausgebaut und Synergien mit dem Fußverkehr und autounabhängigem Lebensstil geschaffen. Zudem wurde erreicht, dass Deutschlands Straßenverkehrsordnung reformiert und die Möglichkeit der Einrichtung von Fahrradzonen auch rechtlich verankert wurde. Damit wurde der rechtliche Rahmen geschaffen, dass auch andere Städte Fahrradzonen einrichten können.
Resultate
Die Bremer ‚Alte Neustadt‘ ist das erste Fahrradmodellquartier in Deutschland und hat den Anstoß gegeben, in der StVO das Schild „Fahrradzone“ aufzunehmen – und ist logischerweise auch die erste Fahrradzone Deutschlands. Hiermit wird erstmalig in einem ganzen Quartier dem Fahrrad Vorrang eingeräumt. Mit dem Fahrradmodellquartier wird deutlich, welches Synergiepotenzial die Bündelung von zumeist eigentlich einfachen Maßnahmen auf Quartiersebene haben kann. Hierin binden sich die besonders hervorgehobenen Einzelmaßnahmen wie das Fahrrad-Repair-.Café und die Querungen nahtlos ein.
Die Querungen der Hauptstraßen mit planfestgestellten ‚besonderen Bahnkörper‘ sind ein Vorbild, wie Querungsoptionen des nicht-motorisierten Verkehrs mit den Vorrang-Ansprüchen des ÖPNV in Einklang gebracht werden können.
Fahrrad-Repair-Café als ökologisches Vorzeigegebäude – auch nutzbar für Veranstaltungen der Hochschule, um Studierende nicht nur mit ökologischem Bauen, sondern auch nahhaltiger Mobilität vertraut zu machen. Die Hochschule Bremen richtet derzeit einen Lehrstuhl ‚nachhaltige Mobilität‘ ein.
Das Projekt mit dem Ansatz „von der Fahrradstraße zur Fahrradzone“ wurde mit dem Deutschen Fahrradpreis 2018 (aus 150 Bewerbungen) ausgezeichnet. (https://www.der-deutsche-fahrradpreis.de/preistraeger/preistraeger-archiv/2018.html) „In der Kategorie Infrastruktur konnte sich die Stadt Bremen mit dem Pilotprojekt „Radquartier“ durchsetzen. Mit dem Fahrradquartier zeigt die Stadt Bremen einen ganzheitlichen und quartiersbezogenen Ansatz.“
Auch die internationale Copenhagenize-Bewertung nennt das ´Fahrradmodellquartier (https://copenhagenizeindex.eu/cities/bremen) “ Where Bremen really shines this time around is their recently announced €2.4 million ‘bicycle district’. Bremen pioneered the concept of bicycle streets among German cities. Now the city is taking the concept one step further by declaring the Weser bicycle district, with a consistent network of prioritized streets, bike friendly cobblestones, and increased bicycle parking. Definitely a program worth watching.“
Radfahrende haben sich bislang sehr positiv zum Modellquartier geäußert. Leider sind die Zähldaten aus einer nahegelegenen Dauermessstelle zum Radquartier aufgrund der Mobilitätsveränderungen im Zug der Corona-bedingten Einschränkungen nicht aussagekräftig.
Auch die beteiligten NGOs wie ADFC, BUND, VCD Bremen und das übergreifende „Bündnis Verkehrswende“ bewerten das Fahrradmodellquartier sehr positiv.
(s.a. https://www.weser-kurier.de/bremen/stadtteile/stadtteile-bremen-sued_artikel,-eine-spur-weniger-fuer-die-autos-_arid,1862283.html
https://www.weser-kurier.de/bremen/bremen-stadt_artikel,-so-plant-rotgruenrot-die-verkehrswende-in-bremen-_arid,1840328.html;
http://www.adfc-bremen.de/news/news-details/datum/2017/11/24/erster-spatenstich-neustadt-wird-zum-fahrradmodellquartier.html
https://www.senatspressestelle.bremen.de/sixcms/detail.php?gsid=bremen146.c.296114.de
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Partner
Freie Hansestadt Bremen, Die Senatorin für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität, Stadtentwicklung und Wohnungsbau: Projektleitung Fahrradmodellquartier
Hochschule Bremen (HSB): Leitung Projektbausteine Hochschule (Repair-Café)
ADFC Landesverband Bremen: Initiatoren, fachliche Begleitung