mobalance – Moeglichkeiten einer bewussten Gestaltung von Mobilitaet durch Anwendung des Suffizienzprinzips im oesterreichischen Kontext
Jahr: 2020
Ziele/Ideen
Österreich hat sich um Rahmen der UN-Klimakonferenz in Paris im Jahr 2016 zu einer Reduktion der Treibhausgasemissionen (THG-Emissionen) von heuer knapp 22 Mio. T CO2 Äquivalenten auf maximal jährlich1,2 Mio. T CO2 ab dem Jahr 2050 verpflichtet; 99% davon betreffen den Straßenverkehr. Dabei ergeben sich 2 Hauptprobleme:
1) Nach heutigem Wissen kann mit den derzeit vorhersehbaren Maßnahmen und Technologien nur etwa die Hälfte der erforderlichen Einsparungen bis 2050 „geschafft“ werden. Es müssen also auch z.B. Mobilitätsgewohnheiten und räumliche Erreichbarkeiten verändert werden.
2) Die Reduktionsmenge von knapp 21 Mio. T CO2 Äquivalenten über die kommenden 30 Jahre ist für viele Personen zu abstrakt, um sich darunter etwas vorstellen zu können. Darüber hinaus ist auch nicht klar, wer welchen Beitrag dazu leisten soll und wer Verantwortungen übernehmen muss bzw. kann.
Nimmt man die Reduktionsziele ernst, braucht es daher Ansätze, um die Einsparungsziele für alle Betroffenen begreiflich zu machen. Zum Beispiel durch die Erkenntnis, dass selbst mit einem Ökostrom-Elektroauto pro Tag und Person nur maximal 3 km zurückgelegt werden können bevor die Emissionsgrenzen des Jahres 2050 überschritten werden (sh. beigelegte Präsentation Folien 4 & 5).
Ein individuelles Mobilitätskonto würde solche Zusammenhänge sichtbar machen und Verhaltensänderungen sowie Maßnahmen unterstützen, die den Wandel zu klimagerechter und „suffizienter“ Mobilität (so viel wie nötig, so wenig wie möglich) erleichtern.
Kurzbeschreibung
Im Sondierungsprojekt mobalance (http://www.ait.ac.at/mobalance) wurde das Prinzip eines individuellen „Mobilitätskontos“ untersucht, mit dem die abstrakten CO2-Reduktionsziele der Zukunft in jährliche, individuell erreichbare Ziele für die Gegenwart und den Zeitraum bis 2030/2050 „übersetzt“ werden. Die jährlich „erlaubte“ CO2-Menge wird dabei nach einem sozialräumlichen Schlüssel auf die Bevölkerung verteilt. So bekommen Menschen mit Betreuungspflichten oder in Regionen mit schlechter Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz mehr Anteile oder Zertifikate. Damit soll den Betroffenen die selbstbestimmte Organisation ihrer Mobilität innerhalb der Emissionsgrenzen ermöglicht werden. In Fällen von erhöhtem oder vermindertem Bedarf können Teile der Zertifikate gehandelt werden. In Regionen mit konstant erhöhtem Bedarf an Zertifikaten können zudem Maßnahmen zur Entlastung der Budgets entwickelt werden zum Beispiel bessere Nahversorgung. Als Ergebnis liegt neben dem Konzept auch ein Selbstbewertungstool und ein Tool zur Wirkungsabschätzung von Mobilität. Das Projekt mobalance fokussierte auf das „Suffizienzprinzip“. Suffizienz bedeutet eine Maßnahme zur Verhaltensänderung und auch eine bewusste Auseinandersetzung mit den Folgen von Entscheidungen und möglichen Alternativen. Ohne diese bewusste Auseinandersetzung besteht die Gefahr, dass Verkehrseinschränkungen abgelehnt werden und dass technologische Verbesserungen durch Verhaltensanpassungen, sogenannte Reboundeffekte, nicht die erhoffte Wirkung erzielen.
Resultate
Als Hauptergebnis wurde im Sondierungsprojekt das Grobkonzept eines individuellen Mobilitätskontos erstellt, mit dem einzelne Personen entsprechend ihrer sozialen und räumlichen Lage aufgezeigt bekommen, wie viel verkehrsbezogene CO2 Emissionen ihnen zur Verfügung stehen, um die jährlich sinkenden erlaubten Mengen auf dem Weg zum 2050-Ziel einhalten zu können. Durch die gleichzeitige Übersicht über die Emissionswerte verkehrlicher Alternativen kann innerhalb des persönlichen Kontos selbst entschieden werden, wie die eigene Mobilität umgestaltet werden kann; ein Teil der Zertifikate kann auch frei gehandelt werden.
Gleichzeitig dienen die Mobilitätskonten auch als Indikator für die Priorisierung von Maßnahmen. Werden in einer Gemeinde überdurchschnittlich hohe Konten benötigt, so können gezielt Maßnahmen zur Entlastung der individuellen Konten umgesetzt werden, etwa durch verbesserte ÖV Infrastruktur, oder durch Verbesserung der Erreichbarkeiten durch Nahversorgung oder Verlagerung von Wegen in den virtuellen Raum.
Neben diesem Konzept wurden im Projekt zusätzlich folgende Ergebnisse entwickelt:
– ein einfaches Selbstbewertungstool, in dem das eigene Mobilitätsverhalten in Bezug zu Emissionszielen für 2030 und 2050 verständlich dargestellt wird
– ein Wirkungsabschätzungs-Tool, in dem der potenzielle Erfolg von Maßnahmen zur Kontenentlastung ermittelt werden kann, und
– ein Handelssimulationstool, mit dem verschiedene Varianten des Zertifikathandels zwischen Mobilitätskonten verglichen werden können.
Diese Werkzeuge schaffen eine valide Grundlage, um die Umsetzung des Konzepts auf unterschiedlichen Ebenen zu unterstützen.
Partner
AIT Austrian Institute of Technology; Center for Mobility Systems: Projektleitung
lorenz consult: Projektpartner
WU Wien; Department für Sozioökonomie: Projektpartner