TrafficCheck – Crowdsourcing für die Qualitätssicherung an Ampelanlagen (www.trafficcheck.eu)
Einreichende Institution: IKK Kaufmann Kriebernegg ZT-GmbH
Jahr: 2017
Jahr: 2017
Ziele/Ideen
Verkehrslichtsignalanlagen (VLSA) bzw. Ampeln sind ein wesentlicher Teil städtischer Verkehrssysteme und beeinflussen maßgeblich die Verkehrssicherheit und Verkehrsqualität an Knotenpunkten. Planung, Bau, Erhaltung und laufender Betrieb erfolgen durch technisches Fachpersonal in den Stadtverwaltungen respektive durch beauftragte Fachfirmen. Für die laufende Optimierung und Anpassung an sich verändernde Verkehrsverhältnisse wird eine systematische Herangehensweise erforderlich, damit nicht ausschließlich auf Zuruf oder durch Bekanntwerden offensichtlicher Mängel reagiert wird. Qualitätsmanagementsysteme gehen von einer laufenden und flächendeckenden Evaluierung der Ist-Situation vor Ort aus, um im Anschluss auf Basis von ermittelten Kennwerten eine Qualitätsbeurteilung vornehmen zu können und die Anlagen einer Prioritätenreihung für Optimierungsmaßnahmen zuführen zu können. Mit dem eigenen Fachpersonal als Ressource ist der Aufwand der wiederkehrenden Beurteilung für Stadtverwaltungen oft nicht zu bewerkstelligen. Als Folge ergeben sich oftmals kurzfristige Beobachtungsschwerpunkte mit Konzentration auf Anlagen einige Zeit nach der Inbetriebnahme bzw. einer Umstellung. Dies dient dann der Verifizierung, ob die Auslegung der Steuerung zielgerichtet war und von den Verkehrsteilnehmer/innen entsprechend angenommen wird oder ob nachjustiert werden muss. Insgesamt führt diese Vorgehensweise jedoch zu einem lückenhaft aufgenommenen Gesamtbild mit Ausklammerung einzelner, auf den ersten Blick unkritischer Anlagen. Diesen Anlagen wird dann erst bei einem Technologiewechsel oder bei Auffälligkeiten im technischen Betrieb neuerlich Aufmerksamkeit geschenkt.Kurzbeschreibung
In wachsenden Ballungsräumen mit begrenzten Verkehrsflächen kommt der optimalen Ampelsteuerung immer größere Bedeutung zu. Die Optimierung der Steuerung trägt zur Verflüssigung des Verkehrsablaufes und Reduktion des Schadstoffausstoßes bei, aber auch zur Bevorzugung des öffentlichen und nichtmotorisierten Verkehrs als umweltfreundliche Alternative zum Auto.Die Online-Plattform TrafficCheck nimmt sich dem Thema Qualitätssicherung an Ampelanlagen an und setzt neben der Erfassung statistischer Anlagedaten auch auf die Verkehrsteilnehmer/innen selbst: Mittels Smartphone oder PC können über eine intuitive Eingabemaske positive und negative Erfahrungen direkt mit der zuständigen Verwaltungsstelle geteilt werden. Die statistisch aufbereiteten Daten fließen dann in den laufenden Optimierungs- und Erneuerungsprozess ein. Eingebrachte Störfallmeldungen helfen dabei, Störungen aller Arten rasch zu erkennen und die notwendigen Arbeitsprozesse zur Störungsbehebung über das System zu steuern.
Resultate
TrafficCheck ermöglicht eine kontinuierliche und flächendeckende Evaluierung der Verkehrslichtsignalanlagen (Ampeln) eines Verwaltungsgebietes und das bei gleichzeitiger Schonung der personellen Ressourcen. Unter Verwaltungsgebiet sind in der Regel Ballungsräume und deren Umfeld zu verstehen, deren Anlagen zentral über eine Verwaltungseinheit (z.B. Stadt, Bezirk, Land) betrieben werden. Dies gelingt durch Einbeziehung der Verkehrsteilnehmer/innen in die laufende Kontrolle. Basis hierfür ist die Erkenntnis, dass die subjektiven Beobachtungen durch Verkehrsteilnehmer/innen (Crowd) auf ihren tagtäglichen Wegen wertvolle Ausgangsdaten für eine Problemerkennung und Grobreihung der Ampelanlagen nach Auffälligkeiten liefern. Bei den Crowdsourcingdaten entsteht durch die große Anzahl an Meldungen ein objektiviertes Bild, das repräsentativ die Verhältnisse vor Ort widerspiegelt. Diese grundlegende These hat in den Jahren 2010 bis 2012 das gleichnamige FFG- Forschungsprojekt im Rahmen des Programms ways2go ausführlich bestätigt. Durch die Einbeziehung der „Crowd“ fließt erstmals die Nutzerzufriedenheit in den Optimierungs- und Erneuerungsprozess an Verkehrslichtsignalanlagen mit ein. Zudem können gruppenspezifische Sonderanforderungen beispielsweise von Menschen mit motorischen oder sensorischen Beeinträchtigungen besser aufgenommen werden als bisher.Grundlegend für die Einbeziehung der Verkehrsteilnehmer/innen in die laufende Kontrolle ist ein intuitives Bewertungsschema, welches eine umfassende Bewertung in unterschiedlichen Kriterien unterstützt und zugleich keinen allzu großen Aufwand darstellt, der unweigerlich zum Absprung vor dem Absetzen einer Bewertung führen würde. Die Bewertung nach einem Notensystem stellt die Grundlage für die statistische Auswertbarkeit dar. Der Usability wurde bei der Erstellung der TrafficCheck-Plattform ein besonderes Augenmerk geschenkt, wozu ein agiler Entwicklungsprozess unter Einbeziehung der Stadt Graz als Entwicklungskunden und einer Testcommunity aus verkehrstechnisch unbedarften Personen ins Leben gerufen wurde.
Mit TrafficCheck steht dem Anlagenbetreiber eine Übersicht über die Qualität seiner Anlagen auf Knopfdruck zur Verfügung. Abfragen nach einzelnen Kriterien (Anlagenbeschaffenheit, Anlagenverfügbarkeit, Verkehrssicherheit und Verkehrsablauf) lassen sich einfach erstellen und übersichtlich in Form von Radialdiagrammen darstellen. In der Abfrage kann zudem gezielt nach Verkehrsmittelnutzung gefiltert werden, damit lässt sich beispielsweise die Frage nach jenen Anlagen beantworten, welche aus Sicht des nichtmotorisierten Verkehrs am stärksten als unsicher empfunden werden.
Insgesamt wird eine Entscheidungsgrundlage für den Aufbau und die Planung eines Erneuerungsprogrammes aus Daten der Anlagenstatistik (beispielsweise Störfalldokumentation) und der aufgenommenen Bewertungen (Crowdsourcingdaten) übergreifend generiert. Der Politik entsteht ein Imagegewinn durch die Miteinbeziehung der Verkehrsteilnehmer/innen in Entscheidungsprozesse. Die Stadtverwaltung erhält eine bessere Argumentation für zusätzliche Ressourcen bei Optimierungsmaßnahmen. Umgekehrt erhöht sich auch die Identifikation der Verkehrsteilnehmer/innen mit den umgesetzten Maßnahmen.
Seit Herbst 2015 ist TrafficCheck auf dem Portal der Stadt Graz online. Das Störfallmanagement wurde bereits im Februar 2015 in der Verkehrsleitzentrale der Polizeidirektion und beim Anlagendienst eingeführt und ist seither zu einem festen Bestandteil geworden. Die lückenlose Dokumentation und zeitgenaue Historie der Störungsbehebung stellen singulär betrachtet bereits einen Mehrwert dar. Die Akteure können dem System durchaus viel abgewinnen. Unausgesprochene Zuständigkeiten und Parallelbearbeitungen werden vermieden und alle Beteiligten haben über den Web-Client jederzeit Übersicht über alle Bearbeitungsstände.
Im Crowdsourcing zeigen die Zugriffszahlen schon in den ersten Monaten, dass das Thema zur aktiven Teilnahme bewegt. 2.000 Zugriffe mit 800 statistisch relevanten Bewertungen gab es bereits in der ersten Woche, darunter auch 20 konkrete Verbesserungsvorschläge, die zu einer näheren Überprüfung geführt haben. In der Stadt Graz sind zurzeit 325 Signalanlagen im System hinterlegt. Brisante Themen waren dabei „Wartezeiten für Fußgänger“, die „grüne Welle“ und „Konflikte zwischen Rad- und Autoverkehr“. Nach rund eineinhalb Jahren stehen wir in Graz bei 3.250 Qualitätsbewertungen.
Die Stadt reagiert laufend mit kleineren Adaptierungen, z.B. hinsichtlich Signalsichtbarkeit, unzureichend eingestellter Sensorik, schlecht sichtbarer Bodenmarkierung oder mit einfacher Steuerungsanpassung. Aber auch die laufende Erneuerung und der zugehörige Planungsprozess basieren inzwischen auf wertvolle Erkenntnisse aus dem Qualitätsmanagementtool. In einem Pilotprojekt wurde ausgehend von zielgerichteter Kritik am Radwegenetz an einer kritischen Stelle nördlich des Schlossberges die Herausnahme eines Kfz-Fahrstreifens getestet. Der Test vor Ort wurde mittels mobiler Leitwände und temporärer Bodenmarkierung einhergehend mit einer Programmumstellung an den Signalanlagen realisiert und ist inzwischen fix installiert. Und auch TrafficCheck hat es geschafft und ist zu einer dauerhaften Einrichtung in Graz geworden.
Partner
Stadt Graz – Straßenamt / Referat Verkehrssteuerung und Straßenbeleuchtung: Entwicklungskunde
Österr.Forschungsgesellsch. Straße-Schiene-Verkehr: Mitwirkung im Forschungsprojekt