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SoWAS - Skalierbares, offenes Waren-Austausch-System

SoWAS - Skalierbares, offenes Waren-Austausch-System
ITL TU Graz

Ziele/Ideen

Aktuelle Forschungsarbeiten haben gezeigt, dass die Zustellung von Paketen zu EndkundInnen großes Potential hinsichtlich einer Reduktion der durch den Zustellprozess verursachten Verkehrsleistung aufweist. Dies betrifft nicht nur die Kurier-, Express- und Paket (KEP)–Dienstleister, sondern auch die EndkundInnen selbst.
Derzeit existieren bei der Paketzustellung komplexe Zustellprozesse, welche durch mehrfache Zustell- oder Abholversuche zusätzlichen Liefer- bzw. Individualverkehr zwischen den Lieferadressen, Paketshops und Logistikzentren induzieren. Dies führt neben den negativen Effekten der zusätzlichen Verkehrsleistung ebenso zu einem Verdienstentgang für den Logistikdienstleister (kleinere Provision pro Zustellung insbesondere für Subkontraktoren) und zu einem erhöhter Aufwand für Endkundinnen.
Vor dem Hintergrund eines Wachstums des e-Commerce Marktes und der damit verbundenen Zunahme an Paketzustellungen, setzen KEP-Dienstleister bereits zunehmend auf Paketstationen. Derzeit werden nur geschlossene Einzelsysteme errichtet, die exklusiv durch einen Anbieter genutzt werden und/oder durch ihre Lage in privaten Gebäuden nur einer eingeschränkten Nutzergruppe zur Verfügung stehen. Durch diese Restriktionen ist die Effizienz der Systeme und deren Verfügbarkeit stark eingeschränkt. Durch die Exclusivität geschlossener Paketboxsysteme ist auch ein „Wildwuchs“ an Warenübergabeesystemen verschiedener Hersteller zu befürchten.
Neuartige Geschäftsmodelle für lokale Geschäfte/Einkaufsläden wie "kontaktlose Übergabe von Ware", die gerade in Krisenzeiten, wie bspw. der CoV-19 Pandemie, von besonderer Bedeutung sind, können in anbieter-geschlossenen Systemen nicht ohne weiteres umgesetzt werden. Gleiches gilt auch für die Kombination von Paketzustellung mit existierenden Angeboten, wie bspw. privatem Warenaustausch in der „sharing economy“ oder der Funktionalität konventioneller Schließfachsysteme an Verkehrsknoten.
Daneben existiert auch wenig Wissen über offene Warenaustauschsysteme. So gibt es zahlreiche Fragestellungen technischer und rechtlicher Natur hinsichtlich der Einbindung unterschiedlicher Nutzergruppen, sowie der Zustellungen/Hinterlassung und der dazugehörigen Dokumentation von bestimmten Waren/Gütern. Es gilt auch herauszufinden, wie groß der allgemeine Bedarf an Schließfächern pro Person/Haushalt/Siedlung ist, sodass derartige Systeme in Neubaugebieten von Beginn an mitgeplant werden können.

Kurzbeschreibung

Im Projekt SoWAS wird ein automatisches, skalierbares und offenes Warenaustauschsystem für den (halb-) öffentlichen Raum entwickelt, das durch einen neutralen Betreiber zur Verfügung gestellt wird. Es ist sowohl für Logistikdienstleister, als auch Privatpersonen einfach und flexibel nutzbar. Neben der gewöhnlichen Paketzustellung durch kommerzielle Dienstleister sollen ebenso der Austausch/das Verwahren von Gegenständen („sharing economy“) und weitere neuartige Serviceleistungen wie "kontaktlose Warenübergaben" unterstützt werden. Das Projekt untersucht die technischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Anforderungen, die sich aus den relevanten Dienstleistungen ergeben, spezifiziert die damit verbundenen Geschäfts- und Betriebsmodelle und stimmt sie mit den wesentlichen Stakeholdern ab. Eine prototypische Umsetzung in Graz soll unter realen Bedingungen eine Evaluierung der Funktionalität sowie die Benutzerfreundlichkeit unter Einbeziehung aller Nutzergruppen ermöglichen.

Resultate

Bisher konnten die Anforderungen und Rahmenbedingungen für skalierbare offene Warenaustauschsysteme spezifiziert werden. Dies inkludiert die Definition von Anwendungsszenarien, die Identifzierung der einzelnen Nutzergruppen, sowie die Spezifikationen der technischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.
Des weiteren konnten Geschäfts- und Betreibermodelle konzipiert und für ausgewählte Szenarie detailliert ausgearbeit werden. Die Modelle beschreiben in welcher Art und Weise ein neutraler Betreiber auftreten und wie ein Ausrollen derartiger Systeme finanziert werden kann. Beispiele hierfür sind sendungsbasierte Abrechnungen für den öffentlichen Raum oder pauschale Abrechnungsmodelle für Wohnsiedlungen. Es konnte gezeigt werden, dass sich der Betrieb derartiger Systeme mit ähnlichen Mitteln finanzieren lässt, wie es derzeit bei Paketshops der Fall ist.
Darüber hinaus wurden die dahinterstehenden (logistischen) Prozesse skalierbarer offener Warenaustauschsysteme untersucht und deren Abbildung bzw. Umsetzung im System entworfen.
Weiters wurden erste empirische Befragungen hinsichtlich des Mobilitätsverhaltens von KundenInnen in Bezug auf den Empfang und die Rückgabe von Paketen mittels einer Online-Panel-Umfrage erhoben. Die gesammelten empirischen Daten bieten eine Basis für die Abschätzung möglicher Veränderungen des Mobilitätsverhaltens bei der Paketabholung/-abgabe sowie von Reduktionspotenzialen bei Fahrzeugkilometern und Emissionen, der durch den Einsatz von Warenaustauschsystemen erzielt werden kann. Die Ergebnisse wurden auf einer internationalen wissenschaftlichen Konferenz veröffentlicht. Auszugsweise seien hier folgende Erkenntnisse genannt:
Der Schlüsselfaktor für eine Reduzierungen der Transportwege ist die Minimierung der symmetrischen Aktivitätsketten (Abhol- und Bringfahrten der KundInnen), da diese zu den höchsten Fahrzeugkilometern führen. Insgesamt liegt der Anteil der symmetrischen Aktivitätsketten bei der Abholung von Paketen bei etwa 37% und bei der Aufgabe von Paketen (z.B. Retourware) bei 42%. Fast 40% dieser symmetrischen Aktivitätsketten sind Autofahrten, woraus sich ein hohes Reduktionspotential von Fahrzeugkilometern ableiten lässt. Die TeilnehmerInnen sind bereit, umweltfreundliche Verkehrsmittel (zu Fuß, Fahrrad, öffentliche Verkehrsmitteln) für eine maximale Fahrstrecke von bis zu 1,9 km zwischen einem Warenaustauschsystem und ihrer Wohnung zu nutzen. Unter der Annahme, es existiert ein gut verteiltes Netz an offenen Warenaustauschsystemen, lässt sich zeigen, dass alle derzeitigen Autofahrten mit einer Entfernung von mehr als 1,9 km (71%) in Fuß- oder Fahrradtouren mit weniger als 1,9 km umgewandelt werden könnten. Dies würde zu einer Verkehrsverlagerung von 12% vom Auto auf umweltfreundliche Verkehrsmittel führen und ergibt einen Anteil von 68% (vorher 56%) und würde 27% der Umweg-Fahrzeugkilometer und die dabei anfallenden Emissionen pro abgeholtem/abgegebenem Paket einsparen. Es ist von weiteren Einsparungspotentialen aufseiten der KundInnen bei kombinierten Aktivitätsketten auszugehen, welche im Rahmen der Teststellung im Grazer Stadtgebiet noch genauer untersucht werden.

Einreicher

TU Graz - Institut für Technische Logistik / Institut für Straßen- und Verkehrswesen

Partner

KEBA AG, Linz: Relevantes Know-How, Systemlieferant für Prototyp

Stadt Graz - Abteilung für Verkehrsplanung: Anforderungen/Rahmenbedingungen Stadt, Testbetrieb

Prime Software GmbH: Geschäfts-und Betreibermodelle, Softwaredevelop.

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